Kosmischer Teilchenbeschleuniger am Limit

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Künstlerische Darstellung der RS-Ophiuchi-Nova-Explosion. Die schnellen Schockwellenfronten bilden die Form eines Uhrenglases aus, in der die Gammastrahlung produziert wird. Sie wird dann von den H.E.S.S.-Teleskopen (im Vordergrund) aufgezeichnet. (Bild: DESY/H.E.S.S., Science Communication Lab.)

FAU-Forscherin beobachtet mit H.E.S.S.-Team zum ersten Mal zeitabhängige Teilchenbeschleunigung außerhalb des Sonnensystems

Nova-Ereignisse sind starke Eruptionen auf der Oberfläche eines weißen Zwergs in Doppelsternsystemen, also solchen, in denen sich ein großer und ein kleiner Stern umkreisen. Bei einer Nova entsteht eine Schockwelle, die sich durch das Umgebungsmedium pflügt, dabei Teilchen mitreißt und diese auf extreme Energien beschleunigt. Dr. Alison Mitchell von der FAU forscht im Rahmen des H.E.S.S. Experiments in Namibia. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben nun zum ersten Mal den Beschleunigungsprozess selbst beobachteten können.

Erstaunlicherweise scheint die Nova „RS Ophiuchi“ aufgrund idealer Voraussetzungen Teilchenbeschleunigung am theoretischen Limit zu bewerkstelligen. Die Ergebnisse wurden jetzt in der renommierten Fachzeitschrift „Science“ veröffentlicht.

Künstlerische Darstellung des Systems von Weißem Zwerg und Rotem Riesen nach einer Nova-Explosion.
Künstlerische Darstellung des Systems von Weißem Zwerg und Rotem Riesen nach einer Nova-Explosion: Sternmaterial wird von der Oberfläche des Weißen Zwergs in Form eines Stundenglases von der Oberfläche des Weißen Zwergs (Bildmitte) geschleudert; Bei der Kollision mit dem dichten Wind des Roten Riesen (Kugel in der Bildmitte) entsteht energiereiche Gammastrahlung.(Bild: DESY/H.E.S.S., Science Communication Lab)

Novae entstehen, wenn ein weißer Zwerg – ein alter, ausgebrannter Stern – aufgrund seiner Gravitation Materie von seinem massiven Begleitstern aufsammelt. Manche Novae treten in regelmäßigen Abständen immer wieder auf. Solch wiederkehrende Novae sind das Resultat von thermonuklearen Explosionen auf der Oberfläche von weißen Zwergen. RS Ophiuchi ist eine solche wiederkehrende Nova; alle 15 bis 20 Jahre gibt es eine Explosion auf der Sternoberfläche. „Die Sterne, die das System bilden, haben in etwa den gleichen Abstand wie Erde und Sonne“, erklärt Alison Mitchell, Astronomin an der FAU und Leiterin des H.E.S.S. Nova Programms. „Als die Nova im August 2021 wieder explodierte, konnten wir mit den H.E.S.S. Teleskopen zum ersten Mal eine galaktische Explosion in sehr hochenergetischer Gammastrahlung beobachten“, so Mitchell weiter.

Dabei registrierte die Forschungsgruppe, dass die Teilchen auf mehrere hundertmal höhere Energien als bei zuvor beobachteten Novae beschleunigt wurden. Außerdem wurde die durch die Explosion freigesetzte Energie dabei höchst effizient in beschleunigte Protonen und schwerere Kerne umgewandelt.  Dabei erreichte die Teilchenbeschleunigung die Maximalgeschwindigkeiten, wie sie in theoretischen Modellen berechnet werden. „Die Beobachtung, dass das theoretische Limit der Teilchenbeschleunigung in kosmischen Schockwellen in der Realität erreicht werden kann, hat enorme Auswirkungen für die Astrophysik“, so Ruslan Konno, einer der Hauptautoren der Studie und Doktorand bei DESY in Zeuthen. „Sie legt nahe, dass der Beschleunigungsprozess genauso effizient bei noch viel extremeren kosmischen Explosionen – den sogenannten Supernovae – sein könnte.“

Bei der Eruption von RS Ophiuchi beobachteten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler keinen statischen Zustand. Vielmehr konnten sie die Nova in Echtzeit mitverfolgen und so zum ersten Mal kosmische Teilchenbeschleunigung wie einen Film beobachten und studieren. Die Forschenden konnten höchstenergetische Gammastrahlen bis zu einem Monat nach der Explosion messen. „Diese Art der Beobachtung ist neu und erlaubt in Zukunft noch genauere Einblicke in die Funktionsweise kosmischer Explosionen“, so Dmitry Khangulyan, theoretischer Astrophysiker an der Rikkyo Universität in Tokyo, Japan. „So könnte es zum Beispiel sein, dass Novae zur allgegenwärtigen kosmischen Strahlung beitragen und damit die Dynamik ihrer unmittelbaren Umgebung wesentlich beeinflussen.“

Künstlerische Darstellung des RS-Ophiuchi-Binär-Sternsystems
Künstlerische Darstellung des RS-Ophiuchi-Binär-Sternsystems, das aus einem Weißen Zwerg (im Hintergrund) und einem Roten Riesen besteht, die sich umkreisen. Material des Roten Riesen wird kontinuierlich von seinem Begleitstern aufgesogen. (Bild: DESY/H.E.S.S., Science Communication Lab.)

Für die Messung waren Spezialteleskope notwendig. Das sich in Namibia befindende High Energy Stereoscopic System, kurz H.E.S.S., besteht aus fünf Tscherenkow-Teleskopen, die zur Untersuchung von Gammastrahlung aus dem Weltraum eingesetzt werden. Im größten Teleskop wurde eigens dafür eine neue, hochsensible Kamera, eine sogenannte FlashCam, die dem neusten Stand der Technik entspricht, installiert. Solche FlashCams werden derzeit auch für das Gammastrahlungs-Observatorium der nächsten Generation, CTA, weiterentwickelt. „Die neue Kamera ist seit Ende 2019 in Betrieb. Diese Messung zeigt, welches Potenzial in den Kameras der neuesten Generation steckt“, so Simon Steinmaßl, Doktorand am Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg, der mit der Analyse der Kameradaten betraut ist.

Die Teleskope wurden, nachdem die Nova der Astrophysik-Community von einem Hobbyastronomen gemeldet wurde, schnellstmöglich auf die Nova ausgerichtet. Auch diese schnelle Reaktion der Forschenden sowie der Astrocommunity trugen grundlegend zum Erfolg der Beobachtung bei und ermöglichten umfangreiche Nachbeobachtungen. „In den nächsten Jahren wird sich durch Forschung mit CTA-Teleskopen zeigen, ob diese Art von Novae besonders sind“, erklärt Stefan Wagner, Professor an der Landessternwarte in Heidelberg und Direktor des H.E.S.S. Experiments. Zudem wissen Beobachtende nun genauer, wonach sie suchen müssen. Somit ergeben sich eine Vielzahl an neuen Möglichkeiten, die Geschehnisse im Zusammenhang mit Novae besser zu verstehen und beschreiben. „Diese Messung stellt einen weiteren Erfolg in der Gammaastronomie dar und lässt uns hoffen noch viele weitere kosmische Explosionen mit H.E.S.S. und zukünftigen Gammastahlen-Teleskopen zu studieren.“

Über H.E.S.S.

Mehr als 230 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von 41 Instituten aus 15 Ländern sind Teil der internationalen Kollaboration H.E.S.S. und haben zu dieser Forschung beigetragen. H.E.S.S. ist ein System von fünf abbildenden atmosphärischen Tscherenkow-Teleskopen zur Erforschung der kosmischen Gammastrahlung. Die Teleskope befindet sich in Namibia, in der Nähe des Gamsbergs, einer Gegend, die für ihre hervorragende optische Qualität bekannt ist. Vier H.E.S.S.-Teleskope wurden 2002/2003 in Betrieb genommen, das viel größere fünfte Teleskop – H.E.S.S. II – ist seit Juli 2012 in Betrieb und erweitert die Energieabdeckung in Richtung niedrigerer Energien und verbessert die Empfindlichkeit weiter.

Weitere Informationen

Dr. Alison Mitchell
Lehrstuhl für Physik
Tel.: 09131/85-28961
alison.mw.mitchell@fau.de